Winterzeit, Planungszeit, also mal bei Schnee statt laufen eben surfen. Ein Wettkampf aus der Ironman-Serie, hmm, muss nicht sein, überhaupt so ein Mega-Event, inzwischen mag ich doch lieber die kleineren Wettkämpfe. Ah, Claire von ‚brutalevents‘ hat einen Neuen. Letztes Jahr der ‚brutal‘ hat mir ja sehr gut gefallen, auch was ich jetzt lese gefällt. ‚..wenn Du einen perfekt organisierten Wettkampf mit abgesperrter Radstrecke und Bestzeitenpotenzial suchst, bist Du hier falsch ..‘. Na, das ist doch mal eine Aussage.
Also Termin gecheckt und angemeldet. Etwas später hat sich sogar noch ein Mitstreiter gefunden, Didi aus Dubbelju-Upper-Valley aka Wuppertal will sich diesen Schwachsinn auch antun. Prima.
Zeitsprung:
fassungslos stehe ich in Budleigh-Salterton, dem Startort und muss 2erleier feststellen:
• der Seegang ist beträchtlich, höher als befürchtet. Schluck!
• darüber hinaus muss ich feststellen:
weit und breit KEIN Klo! Oh Mann, Ihr wisst, was das für mich heißt! Stress pur! Das Sch-Wort spare ich mir an dieser Stelle, ging mir aber ca. 469-mal durch den Kopf. Nun, Probleme sind da um gelöst zu werden, also eine unauffällige Busch-Suche starten. Der gesuchte Ort darf nicht zu weit weg sein (ich will mich ja erst nach dem Startschuss verausgaben), aber nicht zu nah (Konkurrenz). Zudem soll er nicht zu einsichtig sein, muss ja nicht jeder gleich auf den ersten Blick sehen, dass ich hier Wettkampfvorbereitungen getätigt habe. Stellt sich schnell vor Ort als lösbare Aufgabe heraus.
Auf zur Startnummernausgabe. Didi meinte sich was Gutes zu tun, und die ersten 50 KM der Radstrecke mit dem Auto abzufahren. Ich mag sowas ja nicht gerne, lasse das lieber auf mich zu kommen. Na ja, mitgefahren, mitgehangen. Die Strecke ist wirklich ‚undulating‘, also leicht wellig. Nach 30 KM auf engsten und sehr hügeligen Straßen ist aus Didis Gesicht alles Blut gewichen, und ich vermute nicht weil es an anderer Stelle in der Körpermitte gebraucht worden ist. Wir haben bereits 4 ‚Hügel‘ mit mehr als 20% Steigung gefahren. Das mit der neuen Radbestzeit wird eng, sehr, sehr eng.
Bei der Startnummernausgabe hatte besagter Didi dann weitere, ungewohnte Einblicke. Irritiert stehen Anne (Frau von D. aus W. und top-supporter) und Didi vor der aufgebauten Logistik (ein Sprinter) und beobachten die Athletenschlange vor der Ausgabe (1 Kollege). Erst ein ‚Hi Claire, nice to meet you‘ löst die Unsicherheiten, wir sind richtig; nach Beutelausgabe kommt Didi aufgeregt auf mich zu: ‚Ey Tom, ich habe keinen Radaufkleber‘; Check, hm, ich auch nicht. Darauf ein in Triathletenkreisen denkwürdige Konversation mit Claire: T: ‚Wir haben keine Radaufkleber!‘ – C: ‚ Wollt Ihr welche?‘ – T: ‚Brauchen wir welche?‘ – C: ‚Nö‘ –T: ‚Wir auch nicht‘. Ein Rad ohne Aufkleber würde einen deutschen Verbandsmuggel in den Wahnsinn treiben, hier bei 38 gemeldeten Trias (lt. Startliste) nun wirklich nicht nötig.
Tags drauf der Start, locker zum Start mit dem Rad runtergerollt und neben der überschaubaren Masse von 28 Mitstreitern Rad und Klamotten abgelegt; während der Wettkampfbesprechung (die erfahrene Athleten wie ich sich sparen, gibt eh nichts neues) dann den ausgespähten Ort besucht. Ein Mann muss tun was ein Mann tun muss! In diesem Fall keine weiteren Details. Dann in Hektik zum Start, rein in die Gummipelle und runter zum Wasser. Kurzer Countdown, Peng, und ab. Der Ärmelkanal ist heute ruhig, das Wasser warm (relativ) und die Bojen gut sichtbar. Flott geht es raus, nur die Orientierung lässt zu wünschen übrig. Kenne ich von mir ja, im Wasser bin ich DIE Orientierungsgranate schlechthin, kaum einer bringt eine ausuferndere Wellenlinie zwischen 2 Bojen hin als ich. Aber auch die anderen torkeln gefühlt wie liebeskranke Robben durchs Wasser. Seltsam, der Weg zum Ufer zurück bringt erste Hinweise. Die Boje will und will nicht näherkommen. Ich keule und die orange Tonne bleibt mit gleichbleibender Entfernung am Horizont verdübelt. Da ist doch bei der Startzeit einerseits und Ebbe/Flut andererseits bei der Berechnung was falsch gelaufen. Der Weg zum Ufer zog sich jedenfalls jeweils (3 Runden) ganz nett hin, war aber dann doch geschafft, das Ufer in Ausstiegsnähe. Das wild gestikulierende Männlein am selbigen (also Ufer) konnte ich dann als Fräulein namens Anne identifizieren, die mir zurief, dass die Boje noch zu umrunden sei. Hä, watt soll datt denn, gab’s ja noch nie!? Na ja, ist in der Wettkampfbesprechung, bei der selbst erfahrene Athleten wie ich immer noch mal was Neues lernen können, gesagt worden. Mist, ausgerechnet heute war ich da mal anderweitig beschäftigt. Also zurück, rum um die S%§$**-Boje und raus aus der Brühe. Alter Schwede. 1:27! Neuer Rekord! Neue Schwimmschlechtzeit. Beim Entern der Wechselzone konnte ich dann allerdings feststellen, dass es auch den anderen nicht viel besser ergangen ist, es waren noch viele Räder da.
Nachdem ich den gewohnt unorganisierten Wechsel hingelegt hatte, war die Anzahl der verbliebenen Räder deutlich geschrumpft. Ich lüge mich selbst an, indem ich mir gegenüber – allerdings wenig überzeugend - behaupte, dass ich Verfolgungsjagten liebe. Mit Trinkrucksack und vielen Riegeln an Bord heißt es jetzt: Und Tschüss.
Als kleinen Vorgeschmack auf das Kommende geht es nach der Wechselzone erstmal sinnlos, aber steil, hoch um gleich wieder zur Uferpromenade hinunter zu gehen. Ein erster Maximalpulstest eben. Dieses Terrain ist Programm auf den ersten 50 Km. Es geht wirklich nur rauf und runter, wie tags vorher erkundet, auf kleinsten mit Sand und Steinen übersäten Sträßchen. Nach 53 Km, 5 Anstiegen größer 20% habe ich einen 23er Schnitt zu verzeichnen. Bei meinem besten Radsplit habe ich vor 3 Jahren einen 34er Schnitt auf den Asphalt genagelt. Harte Arbeit, Didi ist es auch nicht besser ergangen, konnte Anne berichten. Der arme Tropf hat der Ausschreibung geglaubt und bei der Übersetzung etwas verwachst. Bei den richtigen Rampen sind ihm etwas die Ritzel ausgegangen, so ein richtiger ‚Maria-hilf‘-Kranz war wohl nicht an Bord, Kurbelverbiegen deshalb angesagt. Fuck. Allerdings ist es dann etwas besser geworden, die Topographie kam schwergewichtigen Rouleuren wie mir entgegen. Die Versorgungssituation auf der Radstrecke war – wie angekündigt – eher karg. Erster Nachschub konnte nach knapp 60 KM und 3:25 Stunden übernommen werden. Für alle Ironman-Verwöhnten: nichts von wegen fliegende Aufnahme von Getränken und Powerbar. Anhalten, absteigen, selbstzapfen. Dann die - für andere schwierige – Entscheidung: Kuchen, Pizza (kalt) oder Käsebrot. KÄSEBROT!! Claire, ich liebe Dich! Schnell 2 Käsebrote im Magen gebunkert und weiter. Der folgende Abschnitt der Radstrecke war ein Genuss. Wir sind ein gutes Stück an der Küste lang (heißt hier Jurassic-Coast; na, macht‘s schnipp? Jurassic Coast – Jurassic Man? Ahh, Erleuchtung) mit Ausblicken der atemberaubenden Art. Da nimmt man die Anstiege gerne in Kauf, bei allerfeinstem Sommerwetter ein Traum. Irgendwann hat das Radeln dann ein Ende, mit einer Rechenaufgabe der komplexeren Art. Gut, Mathe – wie alle anderen intellektuellen Herausforderungen auch (belegbar durch etliche Gymnasialzeugnisse) – war nie wirklich Kernkompetenz, aber das ist wirklich kniffelig. Ich bin als 16ter auf die Radstrecke, habe 6 Leute überholt, bin einmal überholt worden und bin als 6ter in die 2te Wechselzone. Selbst wenn der Überholvorgang des Vereinskollegen D. doppelt zählt (was es innerlich tut; ist doch so Didi, oder?) ist das eine Ungleichung. Da haben sich wohl einige so einen in den Schuh gefahren, dass sie die Streckenausschilderung übersehen haben und – vielleicht heute noch – in Devonshire rumirren. Schade das, eigentlich sollten alle einen schönen Tag haben, da sind Verfahrer sehr ungut.
Am Ausgang der Wechselzone hat mir der Wechselheinz – in England der Changecharles – die weitere Strecke an Hand der ausgegebenen Karte erläutert. Ich war leicht abgelenkt, aufmerksame Leser früherer Berichte werden wissen warum. Verdächtig lange nichts vom Darm gehört. Der drückte. Saumäßig. Mann ey, ich werde den Weg schon finden, ein Dixi (war nicht wegen iss nicht) oder ein Busch muss her! Ja ja, alles verstanden, danke und tschüss bis später! Ab in die Botanik, gut bergauf, ich musste bis fast ganz oben laufen um ein stilles, abgelegenes Plätzchen zu finden, keine Sekunde zu früh. Ohhhaaaa, Erleichterung! Bei der Sitzung noch kurz auf die Karte geschaut, muss gleich rechts abgehen, alles klar. Erleichtert und beschwingt die letzten Höhenmeter genommen und im Schweinsgalopp weiter. Die Euphorie bzgl. des Trinkrucksacks von Didi kann ich nicht ganz teilen, geht aber. Nach ca. 20 Minuten kommt mir der Gesamt-Zweite entgegen. Na, offensichtlich kann nicht jeder Kartenlesen. Kurze Diskussion, jeder beharrte auf seinem Weg und weiter. Ca. 5 Minuten später kommen mir die nächsten entgegen. Erneute Diskussion, am Ende konnte klar festgestellt werden, dass der, der keine Karte lesen kann, von mir die Zähne geputzt bekommt. Täglich zweimal. Och ne, zurücklaufen, sehr ungerne. Erstens geht’s da hoch, zweitens riecht es da oben auch sehr unangenehm. Wie heißt es bei top-gear immer so nett? ‚the producers told us..‘. Also Handy gezückt und ‚the organizers‘ angefunkt. Nach Klärung der Sachlage die Info, einfach bis unten weiterlaufen und dann die gleiche Strecke zurück, ist die gleiche Streckenlänge, passt also. Pragmatisch und im Sinne des Delinquenten, priml. Fand der nächste Kollege, der mir entgegen kam, nicht. Ich habe nun nicht alles verstanden, aber ‚Arschl?&%‘, und ‚Wich“§$%‘ war dabei, über ‚buzzcock‘ schweigt sich leo aus. Gut, ist eine Band, aber sonst? Vielleicht weiß jemand genaueres. Die nächsten Entgegenkommenden waren netter, mein Umdrehpunkt war erreicht und ich froh, das Labyrinth ‚Swanage‘ mit anderen durchlaufen zu können. In Swanage dann aber eine Spontanentscheidung. Doch lieber erst in den Shop und 1 Liter Wasser sowie ne Cola eingekauft. Ist doch recht warm geworden, die nächste Verpflegung noch weit. Der Liter Wasser war weg bevor das Wechselgeld der Kasse entlockt war. Was dem Krämer ein bewunderndes ‚thirsty, ha?‘ entlockte. Und weiter die Straße runter zum Strand. Aus der nächsten Kneipe kamen gerade meine Mitstreiter raus, also zu dritt durch den Ort. Der Weg war knifflig zu finden, zu dritt aber machbar. Und dann der ‚costal path‘! Ein Traum, Seelenmassage pur. Immer am Wasser auf Naturpfaden lang, schönstes Sommerwetter, blauer Himmel, auf dem Wasser Segelboote, schöner war Laufen selten. Und die Strecke nicht ansatzweise so schlimm wie vorhergesagt. Triathleten neigen im Sinne der eigenen Legendenbildung zu übersteigender Schilderung des Erlebten. Ich habe mit den Jungs nett geratscht, festgestellt dass der eine Kollege seine 3te Langdistanz macht und wie ich sowohl in Nizza 2008 als auch am big woody 2010 teilgenommen hat. Letztes Jahr hat er den halben ‚brutal‘ gemacht, ich den ganzen. Klein ist die Triathletenwelt. Nach 3 Stunden habe ich – jetzt leicht nach Vorne abgesetzt – die Verpflegung erreicht. Iso im Trinkrucksack gebunkert, Käsebrot eingeworfen, und noch eins, und weiter. Schockschwerenot, was ist das denn? Ein Einschnitt, 125 Naturstufen runter, unten ein Bächlein, dann wieder 140 Naturstufen hoch. Nee ne? Bop, das tut weh, und das war erst der Auftakt. Fortan folgte der Weg jeder noch so kleinen Unebenheit. Und davon gibt es genug. Jeder dieser Sche?&% Dr“$%bäche hat seinen Einschnitt in der Landschaft hinterlassen, für uns ein dauerndes Auf und Ab. Als zusätzliche Prüfung gefiel es ‚the organisers‘ (vgl. top-gear) die Umleitung auf Grund einer Erosion zwar mitzunehmen, in den Gesamt-Km jedoch nicht anzupassen. Dazu später mehr. Die Euphorie, die mich bei der Verpflegung (Km 22) ob der vermeintlich verbleibenden 20 Rest-Km befiel, schlug um. In tiefste Depression. Gefühlt kommt das Ziel mit jedem Schritt kein Stückchen näher, der Weg wird immer härter, teilweise ist der schwarze Gürtel im Wegfinden nötig. Es geht abschnittsweise ca. 1 Meter neben dem Weg auch mal flotte 70 Meter steil runter ins Meer. Und wirklich über jede einzelne Scheißklippe rauf und wieder runter. Da interessiert auch der Ausblick langsam keine Sau mehr, zumal es langsam eng wird mit dem ‚daylight-finisher‘. Irgendwann falle ich in Phase 4 des Triathlen-Lebenszyklusses (fear – hope - exstasy – agony) und mache Meile im Wechsel von schweinsgalopp und rumgeschlurfe. Auf der vierten allerletzten Klippe steht ein Helfer und teilt mir mit, dass es jetzt nur noch abwärts geht und ich in 3 Km im Ziel bin. Mit mir ist es schon die letzen 13 Km abwärts gegangen, so gesehen kein wirklicher Trost. Inzwischen im Dunklen tapse ich runter, verlaufe mich nochmal, mache sinnlose Höhenmeter wo es bequem über den Strand gegangen wäre und finishe nach 15:51 meinen längsten, tollsten, geilsten, schönsten und abartigsten Triathlon.
Auch Didi hat gefinisht und war ebenso glücklich wie ich. Ein tolles gemeinsames Erlebnis mit einem Freund. Nur Jana hat gefehlt.
Die Fakten:
38 Meldungen, 28 Starter, 20 Finisher, Tom 3ter gesamt, Didi 11ter gesamt
Swim 1:28, Bike (2950 HM) 7:15 (4t-beste Zeit aus dem Feld), Stolper (Run passt nicht) 6:51 für 51 (!!) KM, ca. 1300 HM (4t-beste Zeit aus dem Feld)
Hinweis zum Stolpersplit: 6:51 klingt wirklich so als ob meine Kumpels mir die Luft aus den Rollatorreifen gelassen hätten, war aber wirklich harte Arbeit
Stiftung Wadentest sagt: unbedingt empfehlenswert!
Didi und Tom sagen: old, fat, but still fast J