Schlaflos im Sattel 2012

Nachdem das Schlaflos im Sattel 2011 - Fichkona - ein unvergessliches Erlebnis war, haben wir uns doch sofort für 2012 wieder eine Radfernfahrt ausgesucht. Inspiriert wurden wir hierbei von einem Radtrikot "Leipzig-Berlin-Leipzig / nonstop 450 km" während der letztjährigen Fichkona-Fahrt.
Nachdem wir auf der Internetseite der LE-Biketour http://www.lebiketour.de/ ein wenig gestöbert hatten:


* Langstreckenfahrt für Rennräder im geschlossenen Feld und mit Betreuung (Medizin, Polizei, Technik und Verpflegung)


* Die Teilnahme empfehlen wir ausdrücklich ambitionierten Hobbysportlern!* Radfahren wie bei der Tour de France - Nur doppelt so weit, halb so schnell und für einen guten Zweck (es wird der Förderverein Völkerschlachtdenkmal e.V. unterstützt)!


* Wir streben eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 28 km/h an. Bezogen auf die Volldistanz ergeben sich daher ca. 16 Stunden reine Fahrzeit, die durch verteilte Pausen von insgesamt etwa 3 Stunden flankiert werden.
war unser Fazit: da kann man und Frau sich anmelden!


So ging es am Samstag (02.06.) abends 19:00 Uhr auf die Strecke: Leipzig (Zentrum) - Eilenburg - Torgau - Herzberg - Spreewald (Dahme - Prierow - Storkow - Spreenhagen) - Wernsdorf - Berlin (City-Durchfahrt durch's Brandenburger Tor) - Teltow - Ruhlsdorf - Jessen - Elbfähre Prettin - Eilenburg - Krostitz - Leipzig (Stadtfest).


Circa 100 Radler, mehrere Begleitmotorräder zum Absichern von Kreuzungen, zwei Gepäcktransporter, ein Essenstransporter und ein Krankenwagen verließen die Innenstadt von Leipzig Richtung Völkerschlachtdenkmal, wo erstmal die obligatorische Fotopause stattfand. Danach ging es weiter aus dem Stadtgebiet von Leipzig heraus Richtung Eilenburg und Torgau zur ersten Pause nach 64 km gegen 22 Uhr. Die Räder und Fahrer mussten für die Nacht ausgerüstet werden. Das Wetter war bis dahin ok, trocken, aber die Nacht drohte kalt zu werden.
Dann kam die erste Etappe in der Dunkelheit. Ich musste mich erstmal wieder an das Fahren in der Dunkelheit gewöhnen, obwohl es ein tolles Gefühl ist, im Verband mit 100 Radlern durch die einsamen Wälder Brandenburgs zu rollen, ist es doch sehr anstrengend, da es immer wieder zu Verzögerungen und Bremsaktionen im Feld kommt. Aber die Zeit vergeht wie im Flug und wir erreichen die zweite Pause kurz vor Mitternacht, irgendwo in Brandenburg in Dahme nach 111 km auf einer Wiese in absoluter Dunkelheit. Eben war es beim Radeln noch warm, aber jetzt bei der 15-minütigen Pause wird es doch schnell kalt und wir sind froh, dass es rasch weitergeht. Die Verpflegung ist sensationell gut, standardgemäß gibt es bei jeder Verpflegung: belegte Brötchen, Bananen, Äpfel, Energieriegel, Süßigkeiten, Wasser, Tee, Kaffee, Cola und eine Überraschung (Müsli/Suppe/Würstchen mit Kartoffelbrei/Kuchen usw.).


Die nächste Nachtetappe führt uns weiter nach Storkow, 188 km sind jetzt geschafft, es ist halb drei in der Nacht. Nach der super Verpflegung und der Gewöhnung an die Nacht geht es bei mir echt gut, ich fahre neben meinem Bruder und texte ihn zu, die Zeit verfliegt und schon erreichen wir Storkow. Da war ich schon mal vor ca. 24 Jahren im Ferienlager, erkenne aber nichts wieder und bin erstaunt, dass es hier Leute gibt, die in der Nacht gegen drei Uhr mit Ihrem Hund Gassi gehen? Vermute, am Tag ist hier genauso viel los, wie in der Nacht, also Nix. Also ist es egal, wann man vor die Tür geht. Die Hundebesitzerin winkt uns aber erfreut zu und überlegt, ob die Friedensfahrt wieder stattfindet. Aber wieso in der Nacht?  Gerüchte meinen es sind nur 4°C, es wird wieder sehr kalt und ich will wieder los, Bewegung wärmt.


Jetzt geht es ab Richtung Berlin, eine kurze Etappe, 29 km bis Wernsdorf, damit wir nochmal kurz vor Berlin eine Pause haben, angeblich gibt es danach etwas länger keine Pinkelpause. Ich stelle deshalb sofort das Trinken ein. Stürze mich ersatzweise auf das Süßigkeitenangebot und entdecke Hanuta mit EM Stickern, habe die Hoffnung im Laufe der Tour eine komplette Mannschaft zusammenzubringen. Nach den ersten drei Hanuta habe ich bereits einen Torhüter (Neuer), Mittelfeldspieler (Schürrle) und einen Stürmer (Cacau), der gar nicht zur EM fährt. In der nächsten Pause muss also mal ein Stürmer her, der mit zur EM fährt.


Dann geht es in der Morgendämmerung mit Polizeieskorte Richtung Stadtzentrum von Berlin. Letztes Jahr, die Polizeieskorte durch Potsdam war eine feine Sache. Leider hat die Polizei in Berlin, wegen der Schrappigkeit von Bayern im Länderfinanzausgleich, nur Mofas zur Verfügung, und so fuhren wir mit Tempo 20 km/h (!!!) Richtung Brandenburger Tor - also in Zeitlupe. Und der ständige Gedanke - in ganz Berlin gibt es keine Pinkelpause - ging durch den Kopf. Ablenkung boten die Discoheimkehrer in Kreuzberg, die uns auch angefeuert haben. Auf einer breiten Allee verschwanden dann auch die ersten Männer in den Büschen. Ungerecht! Um 5:30 Uhr nach 250 Kilometern erreichten wir dann das Brandenburger Tor. Erstmal hatte die Mehrheit der Radler aber keinen Blick dafür, sondern verschwanden im Tiergarten in Westberlin, ehe es zurück nach Ostberlin zu Verpflegung und zum Fotografieren ging. Nachdem zweiten Neuer habe ich dann auch den Versuch eingestellt, eine EM-Elf zusammenzuessen. Ohne Stürmer wird das doch nichts.


Nach der Pause ging es dann Richtung Südwesten aus Berlin, vorbei am ehemaligen Flughafen Tempelhof, heraus. Das war doch mal ein zentral gelegener Flughafen! Nachdem uns die Polizeieskorte verlassen hatte, kam es wegen mehreren Reißzwecken in Mänteln zu einer Zwangspause. Nachdem die Platten behoben waren ging es weiter.


Jetzt musste ich gegen die Müdigkeit kämpfen, es ging etwas zäh, ich werde wieder schweigsam. Aber es zeigt sich sogar etwas die Sonne, das hilft.
Und endlich erreichen wir bei Kilometer 312 die nächste Pause in Ruhlsdorf. Es ist ca. 8 Uhr also Zeit die Nachtjacke gegen das Tagesjäckchen zu tauschen. Zum Frühstück gibt es lecker Kuchen (Zuckerkuchen oder Streuselkuchen mit Schokoglasur), und ich gönne mir die erste Cola. Vor Abfahrt wird vom Tourchef noch die neue Parole ausgegeben: eine Geschwindigkeit von 29 bis 30 km/h sind ausreichend, da es hinten im Feld bereits die ersten Ausfälle gibt (ICH NICHT!). Aber böse bin ich über den Vorschlag auch nicht ;-) Gut genährt und gut gelaunt geht es weiter auf die letzte längere Etappe: 58 km bis zur Elbfähre nach Prettin. Es stellt sich heraus, dass mein Nebenfahrer letztes Jahr ebenfalls Fichkona gefahren ist und dieses Jahr am Achensee-Radmarathon teilgenommen hat (wir zum Glück nicht - war eine ganz chaotische RTF mit schlechtem Wetter). Er wohnt in Geretsried, so haben wir die allgemeine Radfahrersituation in Oberbayern besprochen und die Zeit ist verflogen.


Nach der Überfahrt über die Elbe gibt es wieder Verpflegung, diesmal Kartoffelbrei mit Würstchen (für Vegetarier auch Kartoffelbrei ohne Würstchen). Noch 5 Minuten auf der Bank mit Elbblick ausgeruht und auf geht es zur letzten Pause in Krostitz (bekannt durch die Ur-Krostitzer-Brauerei): 48 km. Leider fängt es nun an zu nieseln. Schnell vergehen die Kilometer, in Eilenburg gibt es den letzten Anstieg der Tour. In Krostitz wird die restliche Verpflegung vertilgt (wir werden von der Begleitcrew gelobt, dass sie somit nicht mehr zum Zoo fahren müssen) und das Tourshirt übergezogen für die Einfahrt beim Stadtfest in Leipzig. Leider fallen die letzten Kilometern und die Ankunft auf dem Markt in Leipzig vor der Bühne des Stadtfestes in den Regen.


Fazit: 19 Stunden on Tour, 15 Stunden im Sattel, 433 Kilometer. Eine nette Distanz, mal etwas besonderes, aber nicht zu lang;-)

 

 

Jana und Thomas