Mein Gott, dass ich auf meine alten Tage nochmal in einem Wettkampf zum Einsatz komme! Mein Athlet und ich, wir haben wirklich einiges erlebt und sind auch ganz schön in der Welt rumgekommen, bis nach Kanada zum Ironman. Seit aber vor 3 Jahren ein junger, viel flexiblerer Kollege namens Aquaman neben mir im Treppenhaus hängt ist es mit Wettkampfeinsätzen vorbei. Ab und zu darf ich nochmal ran, zu Trainingszwecken in das von uns Neos ungeliebte Chlorwasser, die Sonntagesind mir seitdem aber verwehrt. Beim Abschlusstraining für Kalmar ist es dann aber passiert, eine Unachtsamkeit hat zu einem langen Riss im Ärmel meines Kollegens geführt. Reparatur auf die Schnelle nicht möglich, da muss also ich alte Pelle nochmal ran. Ist auch besser so. Ich bin zwar unflexibler, aber auch dicker als der Neue. Und da mein Athlet eher eine Frostbeule ist, zählen bei knapp 16 Grad schon Zehntelmillimeter wärmendes Neopren. Um 7 Uhr geht es also mit ca. 600 anderen Neos los. Auch wir sind überraschenderweise pünktlich losgekommen. Die Anziehprozedur war etwas zeitaufwändig, vor 10 Jahren ging das geschmeidiger. Ich bin wohl mit den Jahren geschrumpft, insbesondere im Hüftbereich.
Wegen der Kälte wurde die Schwimmstrecke geändert, wir sind 4 Runden in Ufernähe geschwommen, da ist das Wasser etwas äh ja wärmer. Obwohl die Strecke wirklich gut markiert war hat es Tom wieder mal geschafft, die Strecke gen Finnland zu verlassen. Die netten Mädels im Kanu haben uns aber wieder auf den richtigen Weg zurückgebracht. Aber wir sind angekommen, im Gegensatz zu etlichen Kollegen, bei denen der Athlet wegen der Kälte und fehlendem Biopren aufgeben musste. Schade.
Da, da kommen sie. Also den alten Allgäu Hai habe ich in der Wechselzone noch nie gesehen. Na, mir soll es recht sein, denn jetzt bin ich dran. Seit ich seit 2 Jahren meinen Athleten über die Radstrecke bringen darf, eilt der von Bestzeit zu Bestzeit. Mit so einer italienischen Schönheit wie mir muss man ja fliegen, auch wenn der Herr meinte statt Campagnolo eine Ultegra verbauen zu müssen. MIT DREIFACH. Mann, das ist mir schon megapeinlich, da war er echt unsensibel. Aber heute ist großes Blatt angesagt! Die Strecke ist echt klasse, aus Kalmar raus geht es immer leicht wellig idyllisch durch endlose Wälder zum Wendepunkt bei Km 30. Ab hier schlägt der Wind zu. Puh, der bläst. Hoffentlich verbläst der da oben sich nicht. Wenn ich mein finnisch richtig hinkriege, meint der Kollege von Polar aber, dass alles im grünen Bereich ist. Die Einfahrt nach Kalmar ist gigantisch, wir fahren direkt auf das Wasserschloss zu, dann eine kleine Runde durch Kalmar und wieder raus, noch 2 mal. Mein Athlet hat es heute echt drauf, jede Runde auf 2 Minuten gleich. Was mit einer neuen Bestzeit auf dem Rad belohnt wird, nach 10 Jahren die PB nochmal verbessert. Tja, eine ‚bella macchina‘, natürlich in rot, das bringt‘s, Leute. Saucony Wave Rider, übernehmen Sie!
Oh nee, schon wieder so ein Grottenwechsel! So langsam macht das echt keinen Spaß mehr. Da kommt er in die Wechselzone gestürmt wie Jung-Siegfried und verfällt dann in Super Slow-Mo. Und ich soll es dann wieder rauslaufen. Ich weiß eh nicht, wie das heute gehen soll. Wegen einer Verletzung sind wir von Mitte Mai bis Anfang Juli nicht einen Schritt gelaufen und jetzt gleich ein Marathon. Das sieht nach Walking ab Halbmarathon aus. Gut, dass ich mich mit den Beinen inzwischen wirklich gut verstehe, wir finden einen guten Rhythmus, die Freundin bei KM 2 wirkt auch beruhigend. Erstmal alles im Lot, ich kann die Strecke genießen. Und zu genießen gib es wirklich was. Es sind 3 Runden auf einer Wendepunktstrecke zu laufen. Nachdem wir Kalmar verlassen haben geht es nach 2 Km in den Wald, immer wieder mal mit tollen Ausblicken auf die Ostsee, die sehr kalt sein soll wie der Neo in der Wechselzone erzählt hat. Zwischendrin schauen wir auf die die Brücke nach Öland, das freut meinen Athleten sicher, der ist Brückenfan. Und ein Wettkämpfer, der abgelenkt ist, denkt nicht an schmerzende Beine sondern läuft. Gut so. Nach 7 KM drehen wir rum, die gleiche Strecke zurück. Verpflegungsstellen gibt es reichlich mit guter Auswahl. Wenn ich das richtig sehe fallen mir Chips vor die Füße. Habe ich auch noch nicht erlebt, Tom scheint aber begeistert zu sein. Also, Chips und Cola kenne ich nur in Verbindung mit Sofa und Fernseher. Wenn es ihm gut tut. Auch auf der Laufstrecke laufen wir wieder auf das Schloss zu, ist wirklich klasse, gerade dass man voll im Wind steht. Und das tut nach 8 Stunden langsam echt weh. Die 2. Runde bringen wir auch noch mit Anstand hinter uns, in der 3ten Runde eine weitere Neuerung. Wenn ich das, was da auf mich tropft, richtig schmecke, hat er gerade von seiner Freundin eine Cola mit Espresso gekriegt. Stimmt, das kam mal im Fernsehen, die Langläufer knallen sich das vor dem Finish rein. Mal gucken, ob das bei uns auch knallt. Vorerst knallt es auf der Toilette! Oh ne, auch das noch. Die restlichen 11 Km hätte der doch auch noch zukneifen können. Und der Rhythmus ist auch flöten! Jetzt muss das andere Ende mal einschreiten, und tatsächlich stellt das Hirn auf Autopilot und bringt uns alle miteinander am Rande des Komas zurück nach Kalmar. Von der Strecke abbiegen, zum Zielbogen, Finish!!!
Das haben wir wieder gut gemacht, der Allgäu Hai, das bisweilen etwas anstrengende Kuota und wir, die Saucony Wave Rider.
Die Fakten zum Wettkampf:
Allgemein: Seit Mitte der 1990er Jahre findet Ende Juli in Kalmar die einzige Langdistanz Schwedens statt. Kalmar liegt an der Ostküste Südschwedens und ist ca. 300 Km von Malmö bzw. von den
Fahrhäfen entfernt gut zu erreichen. Alternativ per Flugzeug nach Stockholm und dann per Bahn. Der Wettkampf bietet sich in Verbindung mit einem Urlaub an. 2010 waren 600 Athleten am Start.
Familiäre, auf den Sportler ausgerichtete Organisation, korrekte Preise.
Schwimmen: 2-Runden Kurs in der Ostsee vor der malerischen Kulisse Kalmars. 2010 Änderung auf 4 Runden wegen niedriger Wassertemperatur. Die Ostsee hat hier einen sehr niedrigen Salzgehalt, so dass Quallen seltens gesichtet werden. 2010 war die Schwimmstrecke quallenfrei.
Rad: 3-mal zu durchfahrende Wendepunktstrecke. Obwohl die Strecke leicht wellig (je Runde etwa 200HM) und sehr windanfällig ist, hat sie Bestzeitenpotential. Landschaftlich ein Genuß. Nicht abgesperrt, aber sehr gut abgesichert. Zudem sind schwedische Autofahrer ein Muster in Sachen Geduld und Rücksicht. Echte 180 KM.
Lauf: Auch gibt es keinen Km im Sonderangebot zu 950 m. Wieder eine 3-mal zu durchlaufende, verkehrsfreie Strecke mit atemberaubenden Blicken auf Ostsee, Öland und Ölandbrücke. Quasi durchgehend asphaltiert, Top-Verpflegung.